Mittwoch, 25. März 2009

Hitler, die Quotennutte (Kulturhauptstadtkolumne für "Streifzüge")

Bevor ich hier auch nur einen Finger zum Tippen krumm mache: Hat sich schon herumgesprochen, dass Linz heuer die Kulturhauptstadt Europas, ach was: der Welt (weil welcher ist der kulturellste Kontinent? Eben) sein darf? Viele werden sich schon gewundert haben, dass uns diese gewaltige Ehre nicht schon eher zuteilgeworden ist.
Wir machen hier nicht nur die für die Stadt namensstiftende Torte, die durchschnittlich 34 Jahre hält – einzelne Exemplare sind aus der Römerzeit erhalten – und seit 1938 auch den feinen Stahl, der ebenfalls sehr lange nicht schlecht wird. Auch die humanen Hervorbringungen der Stadt sind kulturell wirkmächtig: Karl Moik, Christine Stürmer oder der Hitler.
Womit wir jetzt – endlich! – mit einem uneleganten Schwenk beim Thema sind. Wer reinen Gewissens sagen kann, ihn oder sie habe nicht die garstige Überschrift zum Lesen gebracht, der darf an dieser Stelle aufhören.Für alle, die noch dabei sind: Quod erat demonstrandum – Hitler zieht medial wie geschnitten Brot. Die Zugriffstatistiken für jeden Artikel mit „Hitler“-Titel pfeifen steil in die Höhe, so fad kann der Inhalt gar nicht mehr sein (die Autorin spricht aus Erfahrung).
Die Intendanz der Kulturhauptstadt ist auch nicht blöd und schenkt dem Quotenheuler ordentlich Sendeplatz in diesem Jahr. „Kulturhauptstadt des Führers“ heißt das Hauptprojekt – eine Ausstellung, die an sich ja unschuldig ist. Aber die Sache mit „Linz’09“ ist nun mal auch zur Ankurbelung des Tourismus gedacht. Jeder, der einmal einen anglophonen Reiseführer in der Hand hatte, braucht keine zwei Sätze bis zu „Hitler’s Hometown“ (und dann kommt da auch nicht mehr viel).
Und so umweht alle Projekte dieses Jahres, die dem unbequemen Erbe der Stadt gewidmet sind, mehr der parfümierte Hauch des Aktionismus als der des echten Antifaschismus.Aus diesem Anlass, aber mit anderen Motiven echauffiert sich jetzt auch das selbsternannte Landeshauptblatt – sonst eifriger Kooperationspartner des ganzen Spektakels – plötzlich über den Hitler-Overkill. Hui, da rappelt es gleich im Kommentarteil, da kann der Wetterartikel über den faul prokrastinierenden Frühling – sonst ein sicherer Quotensieger in einem Regionalblatt – noch so anklagend geschrieben sein.

Unangenehm das alles. Im nächsten Posting soll es dann um etwas Lustigeres gehen, versprochen. Wie wär’s mit dem neuen AEC, dessen neue Fassade dank „modernster“ (immer im Superlativ verwenden!) Technik so wunderschön wie zwei Leuchtquallen bei der Paarung schimmert?Stay tuned, wir sind hier noch lange nicht fertig mit `09.

Donnerstag, 12. März 2009

Fiese Episteln nach Berlin aus der Weltkulturhauptstadt



Von mir für euch und die Berliner vom Renfield Fanzine:


„Was sollen denn die Eulen in Berlin, noch dazu aus so einem Ösi-Stahlsiededorf?“ brummt es jetzt in den urbanen Punk-Hirnen. Ja, Linz reimt sich auf Provinz. Ein anschaulicher Beweis dafür, dass Signifikat und Signifikant manchmal miteinander ins Lotterbett gehen. Gnä’ Damen und Herrschaften, es ist aber bitte Folgendes: Linz ist jetzt gerade Kulturhauptstadt. Wer’s noch nicht bemerkt hat.


Grottenbahnzwerge verbringen ihr Ausgedinge in Schrebergärten auf Linzer Dächern


Für uns Wilde an der Donau ist das eine Jumbo-Freude. Die EU schenkt uns Millionen bunte Glasperlen, wenn wir für die bald schon strömende Touristenflut unsere Eingeborenentänze machen. Ich bin dabei! Seht ihr ja gerade. Mein Tanz ist Text und will der Provinz huldigen. Aber sauer wird einem das gemacht.


Eine von vielen Punkbands in der Linzer Undergroundszene: "The Johnny Grotten-Punks"


„In Oberösterreich gibt’s mehr Kartoffeln als Menschen. Und in Linz gibt’s nichts, nicht mal einen Teilchenbeschleuniger“ schmähte ein Exemplar aus meinem Humankapital, als ich ihr eröffnete, Wien nach acht Jahren mal wieder gut sein zu lassen.



Stimmt ja alles. Linz ist negative Dialektik: weder pulsierende Urbanität voll erotischer Anonymität, noch romantisch-rustikales Idyll mit Schäfchen drin. Alle 200.000 Insassen kennen dich und lachen dich aus, wenn du einen Bad-Hair-Day hast. Trennungen müssen in öder Harmonie abgewickelt werden, weil die Stadt zu klein für pompöse Hormonstoppspektakel ist. Ein schön dramatisches „Ich will dich nie wieder sehen!“ funktioniert schon alleine deswegen nicht, weil am Samstag Abend die Zahl der akzeptablen, offenen Bars mit der Jänner-Durchschnittstemperatur korreliert.

Der Linzer gilt als der Fleischhackerhund unter Österreichs Stadtbewohnern

Das Wahrzeichen der Stadt ist neben Stahl eine Torte, die drei Monate lang haltbar ist (korreliert direkt mit dem Stahl, wahrscheinlich ist auch welcher drin). Es gibt eine Uni draußen im Speckgürtel; die Studenten interessieren sich nur mäßig für die Innenstadt – angeblich gibt es etliche, die noch nicht öfter als ein, zweimal (korreliert auch wieder mit der Wintertemperatur) dort gewesen sein sollen. Und überhaupt: Hauptsächlich ist Linz kacke, weil Lieblingsstadt des Führers.

Ein grindiger Kondomautomat in der Linzer Ausgehmeile

Worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ach ja, Provinzrehabilitierung. Linz ist schon ok, quasi knorke. Ruht ein Mensch nämlich bequem in sich, freut er sich, seine Umgebung mit seinen Frisuren zum Lachen zu bringen. Er, oder in meinem Fall auch sie, mag es, wenn die wenigen Kaschemmen voller alter Saufbrüder und -schwestern ist. Man wird Freund statt Nemesis, wenn die Liebe flöten geht. Und die Sache mit Hitler beschert uns ja die bunten Kulturglasperlen. Denn es sprach die EU: „Tut das mal aufarbeiten, diese dunklen Kapitel der Vergangenheit, dann bekommt ihr ein wenig Geld, ihr legt ein großes Vielfaches aus eigener Tasche drauf und macht ein hübsches Spektakel; vielleicht kommen dann sogar ein paar Deutsche.“
Genau. So soll es sein. Ihr erkennt mich an der Frisur.


Sonntag, 8. März 2009

Frauenmahnmal


Pünktlich zum Tag der Frau möchte ich euch gerne einen Aufschrei entlocken. Betrachtet dazu obiges Bild genau, das ich auf der Promenade angefertigt habe. Was da alles an üblen Assoziationen verfilzt ist (Frauen hinter Gitter, Mülltonne, Thujen), reicht ja wohl als Grund, mit den kurzen Beinchen aufzustampfen und dem nächstbesten Mann "Du dreckige Schüft!" ins Gesicht zu krähen. Jeder Mensch sollte so handeln.

Sonntag, 1. März 2009

Nicht fad, aber ohne faden

Strawanzen durch die Kulturhauptstadt, Teil 2

Trotz neuer, dringend benötigter Sehbehelfe der Strawanzerin bleiben die im Linzer Alltag sichtbaren Symptome der Kulturhauptstadt schwer zu entdecken. Das liegt sicher immer noch am Auge der Betrachterin. Zum anderen wohl auch daran, dass es künftig mehr um die Ohren gehen soll. Linz will Ruhe. Fein.

Als welterste Stadt hat Linz eine Charta herausgebracht, die sich für eine akustische Gestaltung und gegen Zwangsbeschallung richtet. Dem damit verwandten 09-Projekt „Hörstadt“ ist die allerstärkste Nachhaltigkeit zu wünschen.

Geschärft ist also das Auge der Strawanzerin, gespitzt die Ohren der Stadt – und verfeinert der Kunstsinn der Kulturhauptstadtbewohner. Alles könnte plötzlich Kunst sein. In die „Weltrettungs“-Haltestelle auf der Nibelungenbrücke hat jemand eine pfiffige Anfrage an „Herrn Dunkler“ gestellt: „Sind die Eisschollen auf der Donau auch ein Linz09-Projekt?“

Produziert wird wie wild. „Der neue Stahl heißt Kultur“, schreibt Andreas Kump sehr treffend in der Jänner-Ausgabe von „Datum“. Die Auslastung der Inszenierungen ist ansehnlich. Was nicht nur an den beträchtlichen Investitionen, sondern auch an der oft sehr geringen Anzahl an Vorstellungen liegen könnte.

Darüber wird ebenso intensiv diskutiert wie über die Qualität der „Best of Austria“-Ausstellung im Lentos. Eine Diskussion über Linz und Provinz – anscheinend eines von vielen Zielen der Kuratoren.

Angeregt auch die Debatte über die Ortstafeln in allen Schriften der in Linz lebenden Menschen. Die Linzer Freiheitlichen forderten für die „Mehrheitsbevölkerung“ Aufschriften in lateinischer Schrift, da sonst die Verkehrssicherheit leide. „Fällt die Linzer FP ihren Kärntner Gesinnungsgenossen in den Rücken?“ freuten sich die Künstler von „Social Impact“ über den aufgelegten Ball.

Noch ein Diskussionspunkt: der fehlende rote Faden im Programm. Der Journalist Robert Fishman, der soeben für den Deutschlandfunk ein Feature über Linz09 produzierte und viel Erfahrung mit Kulturhauptstädten hat, meint: „Es stimmt, was man sagt: Es fehlt der rote Faden.“ Das müsse nicht schlecht sein. Aber: „Dass vom Programm 2015 noch viel bleibt, also die Nachhaltigkeit, die sehe ich nicht.“

Möge sie sich zumindest beim Ende der Zwangsbeschallung einstellen.