Sonntag, 4. Oktober 2009

Strawanzen durch die Kulturhauptstadt, Teil X

Man soll ja in Kolumnen die Leute eher mit Meinung als mit Fragen behelligen. Aber bin ich die Einzige, der die Ruhe nach dem Sturm auffällt? Liegt’s am Wetter, an der Kurzsichtigkeit, gar am verschossenen Kultur-Pulver? Soeben hat man ja vn offizieller Seite den Startschuss für den knallbunten Endspurt gegeben, doch zugleich schon allerhand Retrospektives ins Programm genommen.

Vielleicht raubten ja Großereignisse wie Landtagswahlen (nach denen sich mancher gewünscht haben mag, es handle sich nur um eine Kunstaktion) oder der Urfahraner Markt die Aufmerksamkeit. Der güldene Wicht vor dessen Eingang war übrigens die abgewandelte Form jenes Riesenzwerges, der nach Vorstellung des Künstlers Patrick Huber vom Lentos hätte wischerln sollen. So stand er still mit geschlossener Hose neben den Schaumrollenmobilen (der Zwerg, nicht Huber).


Ein letzter Höhepunkt soll die Auseinandersetzung mit dem „Forum Design“ sein. Vor 30 Jahren hatte die Welt Linz als neues Design-Zentrum entdeckt. Die Sache ging bekanntlich spektakulär schief. Bedauerlich ist, dass mit diesem Erbe größtenteils retrospektiv umgegangen wird – bei allem Respekt für die Qualität der lokalen Werkschau.

Stichwort Wahlen – das Ergebnis zeigt, dass folgendes Faktum bei mehr als 15 Prozent der LinzerInnen Unbehagen auslöst: 25 Prozent der LinzerInnen haben nicht Deutsch zur Muttersprache. Das Missfallen in ein Gefühl der Bereicherung umwandeln will die „Bibliothek der 100 Sprachen“. Im Container vor der Volksbibliothek werden Bücher in den Herkunftssprachen gesammelt.


Am Ende noch ein kleiner Pressespiegel. Auf der FM4-Homepage stand ein Appell eines Linzers an die Welt: „Kommt zu uns. Es wird heuer so viel geboten, dass sogar was Gutes dabei ist.“

In der Süddeutschen hat der Journalist Peter Praschl einen langen Artikel über den Besuch in seiner Heimatstadt veröffentlicht. Vor 30 Jahren war er der provinziellen Enge entflohen, heute empfindet er auch eine kurze Rückkehr nach Linz als Mutprobe. „Man könnte ruhig hierbleiben, nichts Böses widerführe einem.“ Gerade das befremdet ihn, zu brav sei alles, auch das Kulturhauptstadtsprogramm. „Den Linzern möchte ich zum Abschluss sagen: Es hat nichts mit euch zu tun. Es ist nichts Persönliches. Nur etwas Persönliches.“ Lesenswerter Artikel, Linz bleibt aber ratlos zurück.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Falsche Zwillinge und Hasen

Strawanzen durch die Kulturhauptstadt, Teil IX

Es gibt ein einziges Wochenende, an dem Linz wirklich cool ist. Wenn während der Ars im Rothen Krebsen oder in der Stadtwerkstatt das Bier mit Akzenten aus vieler HerrInnen Länder bestellt wird, kann die ganzjährige Stadtbewohnerin zufrieden sein und mit Schlafgästen aus dem schicken Barcelona prahlen.

Schon möglich, dass die Ars nicht mehr so avantgarde ist wie früher, aber wer wird im Alter von 30 Jahren nicht milder? Das liegt in der Natur des Menschen wie in der von Festivals. Solange den Beitragenden wie Hiroshi Ishiguro noch so hübsche Dinge wie der „Geminoid“ einfallen, der als täuschend echter Klon seines Erfinders mit dessen Stimme leichtgläubige AEC-Besucher auf den Leim führte, besteht nicht viel Grund zur Schelte. Sehr unterhaltsam auch die Cyberarts-Exponate im OK, etwa der bibelkopierende Kalligraphie-Roboter, der Sessel im Schneesturm aus Styropor („Nemo Observatorium“) oder die Blume Edunia, die mit ihrem Gärtner blutsverwandt ist.


Schelte kann man der visuellen Ausrichtung der „Flut“-Klangwolke nicht ersparen: Geschätzte 84 Prozent der Zuspätkommenden wurden insofern gestraft, als sie die wirklich sehenswerten Tiere eben nicht sahen. Gefühlte 34 Prozent der Klangwolkenbesucher scheinen aber ohnehin nur wegen des Feuerwerks zu kommen...



Apropos zu spät gekommen: Der Donaustrand bei der Eisenbahnbrücke wird nur dann noch seiner Bestimmung gerecht, wenn der Klimawandel sich rasant beschleunigt. Das glücklose Linzer Auge schließlich kam nicht nur zu spät, sondern auch noch kaputt.

Zu spät kommen auch all jene, die sich das gelbe Haus Bellevue noch ansehen wollten. Das ist jetzt weg. Auch der Kranke Hase macht sich auf die Socken, zurück auf den Pöstlingberg. Zuvor weste er in der Stadt un. Besonders witzig waren die Leih-Hasenköpfe und die dazu angebotenen Hasenbanden-Ausflüge, die dem Volk im Bahnhof oder auf dem Domplatz belämmerte Gesichtsausdrücke oder glucksendes Lachen ins Gesicht verursacht haben.
Ähnliches gelang auch dem unaussprechlichen Kunstkombinat „QujOchÖ“ beim Betriebsausflug nach Innsbruck, wo es die Einheimischen durch ihre Andreas-Hofer-Verunglimpfung aus dem Konzept brachte – letztendlich dann doch ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Und jetzt? Müssen wir uns anziehen fürs Strawanzen im Oktober.