Mittwoch, 4. November 2009

Strawanzen durch die Kulturhauptstadt, Teil XI

Nun müssen wir ernstlich darüber nachdenken, was 2010 mit Linz und uns Eingeborenen passieren wird. Die Leere nach dem Großereignis muss bewältigt werden. Linz’09 scheint den Trauerbedarf erahnt zu haben und bot im November im Ruhepol Centralkino einen Ort für Trauernde an.

Unsere Prophezeiung: Auch jene, die sich schon zum vergangenen Silvester gewünscht hatten, 2009 möge jetzt schon vorbei sein, werden das Fehlen der Kulturhauptstadt verwinden müssen. Denn worüber wollen sie noch schimpfen? Apropos: Worüber wollen Kolumnistinnen noch nörgeln?

Werden wir also dem Stadtalltag weiterhin mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen, werden wir uns bei etwa Menschen, die im Laub wühlen, auch nächstes Jahr fragen, ob das eine künstlerische Intervention sein könnte?


Stichwort Intervention: Die „Kunst Auktion“ der Linzer KunststudentInnen auf dem Hauptplatz nahm in Form eines Insolvenzverkaufs den Ausverkauf des Bildungssystems aufs Korn. So waren Arbeiten von Franz West um ramschige 10 Euro zu haben. Eine witzig umgesetzte Angelegenheit aus traurigem Anlass.


Traurige Anlässe und Kunst im öffentlichen Raum, das führt zur „Bibliothek der geretteten Erinnerungen“ im Wissensturm. Ganz ohne Frage ein wichtiges, gut umgesetztes Projekt. Kritik erhob sich an der Platzierung der Ausstellung von Dokumenten jüdischen Lebens: Zu nüchtern sei das Foyer, das Surren der Getränkeautomaten und die unmittelbare Nähe zu den Toiletten. Der eigene Besuch vermochte das nicht zu widerlegen: Die Hauptausstellung wurde für zwei Tage wegen einer Veranstaltung einfach verräumt.



Was war sonst noch? Walter Kohl schrieb in „SpotsZ“ über die „normative kulturelle Anosmie“. Es stinke hier nicht mehr, dafür sei Linz reizloser geworden. Leiser, sauberer – identitätsloser. Da mag etwas dran sein.


Nun baut Linz’09 ab. Ein Großteil der eigens errichteten Bauten waren temporäre Architektur – der Höhenrausch, das Gelbe Haus, das Baumhaus im Volksgarten (das Linzer Auge kommt wieder – versprochen!). Laut einem Artikel des Architektur-Kritikers Wojciech Czaja war das kein Übel: Vorübergehende Ausnahmezustände im öffentlichen Raum verändern die Wahrnehmung der BewohnerInnen. Auch da ist was dran.

Und jetzt? Seien Sie bereit für die große Flut an Nachrufen!