Montag, 1. März 2010

Berichte einer Kulturfolgerin: Gib den alten Resten der Kulturhauptstadt eine Chance

Eigentlich wollte ich heuer der verblichenen Kulturhauptstadt ja öfter entfliehen. Aber kaum setze ich einen Fuß aus der Stadt, heben Schneestürme oder Verschnupfungen an. So glich es einem schier heroischen Akt, im Februar die Flauschpatschen abzulegen.
Die wären aber kein adäquates Outfit für die Buben von „Element of Crime“ gewesen. War deren Konzert vor vier Jahren krankheitsbedingt eher mau gewesen, brachten die vier Berliner dieses Mal im Posthof viele Menschen zum romantischen Gluchzen. Ihr „Gib’ alten Resten eine Chance“ sangen sie heuer zwar nicht, sie schenken mir mit diesem Song aber ein wunderbares Motto für diese Kolumne.
Die Reste der Kulturhauptstadt lösten nämlich eine Menschenansammlung aus, die es locker mit einem Ikea-Samstag aufnehmen konnte. Halb Linz wühlte sich beim ‚09-Flohmarkt in der Hafenhalle durch die Überbleibsel. Von der Schweinemaske bis zur ganzen Bar, vom ordinären Kaffeehäferl bis zum Bühnenbild von „Maria Stuart“. Die Preise waren zum Teil noch überraschend hoch – wer zahlt denn 15 Euro für eine fast abgelaufene Bierkiste? Insgesamt aber amüsant.
Ein gutes Überbleibsel aus dem Kulturhauptstadtjahr ist auch das Pixelhotel. Das ist zwar nicht billig, aber wann kann man sich schon ein ganzes Hausboot für einen Tag kaufen (darüber demnächst mehr)?
Was gibt’s sonst noch zu berichten? Amüsiert hat das Abschiedsgespräch mit Siegi Janko, dem frisch pensionierten Kulturdirektor der Stadt Linz: „Ich hätte Heller mit faulen Eiern beworfen und sein Büro besetzt“, sagte er auf die Frage, wie die Freie Szene mit dem Intendanten des Kulturhauptstadtjahres seiner Meinung nach hätte verfahren sollen.
Schön war auch der Musentempel der Phoenix-Damen Lisa Fuchs und Judith Richter im Salzstadl. Jede Initiative, den Montag in Linz kulturell aufzuwerten, sei willkommen. Verwaist ist nun der Sonntag im Strom. Nach zweieinhalb Jahren endet „A Love Supreme“. Wo wird denn dann jetzt noch Jazz aufgelegt in dieser Stadt?
Doch ich klage auf hohem Niveau. Der Frühling kommt sicher auch bald, und mit dem kommt die Stadtflucht.