Montag, 1. Juni 2009

Schluss mit dem Ausnahmezustand

Strawanzen durch die Kulturhauptstadt, Teil V


Ein Dutzend seltsamer Gestalten in Strahlenschutz-Anzügen kriecht auf den Hauptplatz. Verstößt schon wieder böses Gesindel gegen das Vermummungsgebot? Übt da jemand für den Ernstfall? Nein, der ist schon eingetreten: Die „Ausblenden“-Tour von „Social Impact“ führt auf überwachungsfreien Routen durch die Innere Kulturhauptstadt. Was erschreckend schwer geworden ist, denn die Kameraüberwachung ist bald schon lückenlos möglich. Die Teilnehmer sollen dafür unerkennbar bleiben. Umso sichtbarer waren sie in ihrer seltsamen Montur und Fortbewegungsweise für die Linzer im Normalzustand.

Apropos Normalzustand: Den wollte das Festival der Regionen in den als „kulturfern“ geltenden wilden Süden der Stadt bringen. Statt jugendlicher Möchtegern-Gangs machten Interessierte Gassi-Runden mit ortskundigen Hunden. Wer da wen führte, war nicht vorgegeben. Wie immer kommt gerade beim planlosen Flanieren allerlei Nettes zu Tage.

Was nicht unbedingt bei allen der Fall war, deren Wege sich mit der heutigen Kulturhauptstadt kreuzten. Das ist Kern der Ausstellung „Nur durchgereist“ im Stifterhaus. Hier kann man sich über Stefan Zweigs Linz-Provinz-Assoziation oder Thomas Bernhards Diktum „In Linz geboren, allein das ist ein fürchterlicher Gedanke“ echauffieren und sich dann aufmachen, ihn Lügen zu strafen.

Oder ihn zu bestätigen. Das funktioniert nach wie recht gut über all jene Aktionen, die nicht zum offiziellen Linz’09-Programm gehören. Etwa durch den Film „Dobuschido“, in dem das unaussprechliche Kultur-Kollektiv „qujOchÖ“ dem Bürgermeister das Rappen beibringt und dabei den Machern der Kulturhauptstadt einschenkt.

Wer anderen Machern einschenken wollte, wurde auf der „Subversiv Messe“ in der Hafenhalle fündig. Unter dem Deckmantel einer gewöhnlichen Messe wurden hier verschiedenste Technologien und Strategien des intelligenten, gewaltfreien Widerstands präsentiert. Also etwa Tipps zur richtigen, nicht strafbaren Vermummung beim „Basic Rebel Clown Training“.

Reden ist immer besser als Gewalt, liebe Kinder. Als Konsequenz lieh „Der kranke Hase“ auf dem Pfarrplatz drei Tieren eine Stimme. Als Lohn gab es zwar kein Futter, dafür aber Diskussionen über den Sinn des Lebens – mit einem Truthahn. Auch recht.