Donnerstag, 12. März 2009

Fiese Episteln nach Berlin aus der Weltkulturhauptstadt



Von mir für euch und die Berliner vom Renfield Fanzine:


„Was sollen denn die Eulen in Berlin, noch dazu aus so einem Ösi-Stahlsiededorf?“ brummt es jetzt in den urbanen Punk-Hirnen. Ja, Linz reimt sich auf Provinz. Ein anschaulicher Beweis dafür, dass Signifikat und Signifikant manchmal miteinander ins Lotterbett gehen. Gnä’ Damen und Herrschaften, es ist aber bitte Folgendes: Linz ist jetzt gerade Kulturhauptstadt. Wer’s noch nicht bemerkt hat.


Grottenbahnzwerge verbringen ihr Ausgedinge in Schrebergärten auf Linzer Dächern


Für uns Wilde an der Donau ist das eine Jumbo-Freude. Die EU schenkt uns Millionen bunte Glasperlen, wenn wir für die bald schon strömende Touristenflut unsere Eingeborenentänze machen. Ich bin dabei! Seht ihr ja gerade. Mein Tanz ist Text und will der Provinz huldigen. Aber sauer wird einem das gemacht.


Eine von vielen Punkbands in der Linzer Undergroundszene: "The Johnny Grotten-Punks"


„In Oberösterreich gibt’s mehr Kartoffeln als Menschen. Und in Linz gibt’s nichts, nicht mal einen Teilchenbeschleuniger“ schmähte ein Exemplar aus meinem Humankapital, als ich ihr eröffnete, Wien nach acht Jahren mal wieder gut sein zu lassen.



Stimmt ja alles. Linz ist negative Dialektik: weder pulsierende Urbanität voll erotischer Anonymität, noch romantisch-rustikales Idyll mit Schäfchen drin. Alle 200.000 Insassen kennen dich und lachen dich aus, wenn du einen Bad-Hair-Day hast. Trennungen müssen in öder Harmonie abgewickelt werden, weil die Stadt zu klein für pompöse Hormonstoppspektakel ist. Ein schön dramatisches „Ich will dich nie wieder sehen!“ funktioniert schon alleine deswegen nicht, weil am Samstag Abend die Zahl der akzeptablen, offenen Bars mit der Jänner-Durchschnittstemperatur korreliert.

Der Linzer gilt als der Fleischhackerhund unter Österreichs Stadtbewohnern

Das Wahrzeichen der Stadt ist neben Stahl eine Torte, die drei Monate lang haltbar ist (korreliert direkt mit dem Stahl, wahrscheinlich ist auch welcher drin). Es gibt eine Uni draußen im Speckgürtel; die Studenten interessieren sich nur mäßig für die Innenstadt – angeblich gibt es etliche, die noch nicht öfter als ein, zweimal (korreliert auch wieder mit der Wintertemperatur) dort gewesen sein sollen. Und überhaupt: Hauptsächlich ist Linz kacke, weil Lieblingsstadt des Führers.

Ein grindiger Kondomautomat in der Linzer Ausgehmeile

Worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ach ja, Provinzrehabilitierung. Linz ist schon ok, quasi knorke. Ruht ein Mensch nämlich bequem in sich, freut er sich, seine Umgebung mit seinen Frisuren zum Lachen zu bringen. Er, oder in meinem Fall auch sie, mag es, wenn die wenigen Kaschemmen voller alter Saufbrüder und -schwestern ist. Man wird Freund statt Nemesis, wenn die Liebe flöten geht. Und die Sache mit Hitler beschert uns ja die bunten Kulturglasperlen. Denn es sprach die EU: „Tut das mal aufarbeiten, diese dunklen Kapitel der Vergangenheit, dann bekommt ihr ein wenig Geld, ihr legt ein großes Vielfaches aus eigener Tasche drauf und macht ein hübsches Spektakel; vielleicht kommen dann sogar ein paar Deutsche.“
Genau. So soll es sein. Ihr erkennt mich an der Frisur.